Hat jeder gute Schauspieler auch das Zeug zu einem guten Regisseur?
Wohl kaum. In der Filmgeschichte gibt es zahlreiche Beispiele von Regie-Versuchen anerkannter Schauspieler aus denen lediglich Akte der Selbstbeweihräucherung wurden. Auch wenn die Stars ihr übergroßes Ego zurücknahmen und auf ihren Auftritt vor der Kamera verzichteten, entstanden bei diesen Ausflügen ins Regiefach nur selten eigenständige künstlerische Werke. Meisterwerke wie „Die Nacht des Jägers“, der einzige Film bei dem Schauspiellegende Charles Laughton Regie führte, sind ohnehin Ausnahmeerscheinungen.
Nun, Karl Markovics ist zwar nicht Charles Laughton aber er liefert mit seinem unaufdringlichen Film „Atmen“ dennoch ein sehr überzeugendes Regiedebüt ab. Auch wenn die Einflüsse der jüngeren österreichischen Filmgeschichte und auch des britischen „social realism“ Genres deutlich spürbar sind, so muss er sich mit seinem Film vor den etablierten Regisseuren definitiv nicht verstecken. Und im Gegensatz zu den Vorbildern gibt es auch eine (wenn auch wohldosierte) Portion morbiden Humors. An ein Debütfilm erinnert der souverän inszenierte Film in keinster Weise. Maßgeblichen Anteil daran hat Kamermann Martin Gschlacht, der wie schon zuvor bei „Revanche“ und „Women without Men“ dem Film seinen Stempel aufdrückt und seinen weniger erfahrenen Regisseur unterstützt. Seine großartigen Kompositionen tragen viel zur Atmosphäre des Films bei der ohnehin mehr in Bildern als in Worten erzählt wird. Dennoch sind diese oft symbolträchtigen Einstellungen nie Selbstzweck, sondern stets der Geschichte untergeordnet.
Das von Markovics selbst verfasste Drehbuch kann aber ebenfalls überzeugen. Ein jugendlicher, im Waisenhaus aufgewachsener Straftäter nimmt nach seiner Haftentlassung eine Stelle bei einem Bestattungsunternehmen an. In seiner Lethargie ist er zunächst nicht viel mehr als ein Toter unter den Toten bis er bei seiner Arbeit eine Entdeckung macht die ihn dazu bringt, nach seiner Mutter zu suchen. Doch es scheint niemand zu geben der sich ernsthaft für ihn interessiert. Dass wieder einmal die äußeren Umstände als Begründung für eine Gewalttat herhalten müssen mag zwar dem gängigen Klischeebild entsprechen, dennoch bleibt die Geschichte – nicht zuletzt aufgrund der Aussparung gewalttätiger oder allzu emotionaler Szenen - stets glaubhaft.
Auch bei der Besetzung beweist Markovics Gespür, wohl vor allem aufgrund seiner eigenen Erfahrung als Schauspieler. Der 17jährige Laiendarsteller Thomas Schubert ist großartig und vermittelt überzeugend eine latente Gewaltbereitschaft unter den untedrückten Gefühlen seiner Figur. Man hat Mitleid mit ihm und zugleich fürchtet man sich vor einem möglichen erneuten Ausbruch seiner aufgestauten Aggressionen. Auch die Nebenrollen sind gut besetzt, Georg Friedrich etwa überzeugt auch in der x-ten Variation seiner gewohnten Rolle.
Der in Cannes und Sarajevo ausgezeichnete Film ist vor allem deshalb so gelungen weil sein Regisseur nicht tut was Schauspieler (und auch so manche Regiekollegen) normalerweise machen: sich in den Mittelpunkt stellen.
8/10
Im Angesicht des Todes: Thomas Schubert als Roman |