Bei fast allen wichtigen Regisseuren mag ich die frühen Filme am liebsten. Diese sind oft noch sehr von persönlichen Erfahrungen geprägt und diesen Filmen haftet meist noch etwas Rauhes, nicht Perfektes an. Dies trifft auf "Les quatre-cent coups" von Truffaut ebenso zu wie auf "Mean Streets" von Scorsese und "Reservoir Dogs" von Tarantino. Und auch auf Rainer Werner Fassbinder. Dessen zweiter Spielfilm "Katzelmacher" wurde nur wenige Wochen nach seinem Spielfilmdebüt "Liebe ist kälter als der Tod" mit einfachen Mitteln gedreht und trägt - mehr noch als der vom amerikanischen und französischen Genrefilm beeinflusste Erstling - seine persönliche Handschrift.
Der Film ist was das Thema betrifft auf geradezu erschreckende Weise aktuell. Eine Gruppe gelangweilter junger Leute lässt ihren Ressentiments gegenüber einem griechischen Gastarbeiter - gespielt von Fassbinder selbst - freien Lauf. Doch fast noch schrecklicher als dieser damals wie heute nicht ungewöhnliche rassistische Übergriff ist die Lethargie in der fast alle Protagonisten gefangen sind. Die sich wiederholenden Rituale zeichnen - lange bevor Begriffe wie "Generation X" erfunden wurden - ein ebenso pessimistisches wie realistisches Bild einer Jugend die eigentlich alles hat und zufrieden sein müsste aber an einem Übermass an Freizeit und einem Mangel an Kontrolle zerbricht. Autoritätsfiguren wie Eltern oder die Polizei kommen in Fassbinder's Film erst gar nicht vor.
Auch was die Form betrifft ist der Film bemerkenswert. Die sich wiederholenden, meist statischen Einstellungen und die trockenen Dialoge replizieren gewissermassen den Inhalt indem sie die seelische Leere und das monotone Leben der Figuren ausdrücken. Wobei dies laut Fassbinder nur bedingt geplant war denn die teilweise quälend langen Einstellungen waren seine Trotzreaktion auf seine Kritiker welche ihm vorwarfen dass sein Debütfilms "Liebe ist kälter als der Tod" zu langsam sei. Hier wie dort ist diese Kritik meiner Meinung nach total unangebracht - diese Art der Inszenierung zwingt uns, den Charakteren trotz ihrer mangelnden Sympathie näher zu kommen.
"Katzelmacher" ist ein beeindruckendes Frühwerk von einem der wichtigsten deutschen Autorenfilmer.
8/10
Langeweile statt Revolution: Jugend in Bayern anno 1969 |
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